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Die Geschichte Lekows

von Gotthard Sinapius

Vorbemerkung

Die Geschichte Lekows ist bis zum Beginn des Absolutismus ein unmittelbarer Spiegel der Geschichte der Mark Brandenburg, bestimmt durch das im gegenseitigen Lehnseid sich begründende Treueverhältnis zwischen Herrn und Vasall. Eigentümer an Grund und Boden ist zu dieser Zeit von Gottes Gnaden der König. Dieser übergibt das Nutzungsrecht an seine Gefolgsleute, so auch den Markgrafen. Der Markgraf wiederum reicht das Nutzungsrecht seinen ihm lehnseidlich verpflichteten Vasallen weiter, zu denen stets nebeneinander alle Familienmitglieder derer v. Lekow gehören.

Um 1700 vollzieht sich Lekows Wandel zum landwirtschaftlichen Großbetrieb ohne Waffendienstverpflichtung innerhalb des preußischen Nationalstaats. Letzterer versorgt jetzt die jüngeren Söhne als Berufsoffiziere. Der tradierte Begriff „Rittergut“ ist nur noch ein Hinweis auf die einstige politische Bedeutung, die jetzt im Begriff der Ehre im Dienst am preußischen Staate aufgeht.

1808 heben die Stein-Hardenbergschen Reformen die Bindungen nicht nur der Bauern, sondern auch der Herren an den Grundbesitz auf: Die Güter werden zur handelbaren Ware in einem bürgerlichen Sinne, und Lekow wird zweimal veräußert.

1945 hält auch der bürgerliche Eigentumsbegriff, garantiert durch den reichsdeutschen Nationalstaat, nicht mehr stand. Lekow wird durch die polnische Verwaltung enteignet, die bisherigen Eigentümer werden vertrieben, und der Großgrundbesitz wird fiskalisiert.

1990 tritt die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches den Anspruch auf die hoheitlichen Rechte in den reichsdeutschen Ostgebieten an die Republik Polen endgültig ab. Diese beginnt daraufhin, das sozialisierte Eigentum aufs neue zu privatisieren. Obwohl deutsche Alt-Eigentümer gegenüber anderen Ausländern nicht diskriminiert werden, ist kaum ein Rückkehrwille erkennbar.

Lekow im Mittelalter (bis 1500)

Im einzelnen ergibt die Quellenlage folgendes Bild:

Die Herren von Lekow, neumärkisch-pommerscher Uradel, waren seit frühester Hohenzollernzeit unmittelbare Vasallen der Markgrafen von Brandenburg. Allerdings saßen sie schon lange vorher auf ihrem Familienstammsitz. Nach der derzeitigen Quellenauswertung läßt sich erkennen, daß die Lekows sich früher je nach persönlichem Vorteil zu den askanischen Markgrafen oder zu den pommerschen Herzögen hielten.

Die erste mir bekannte urkundliche Erwähnung der Lekows stammt aus dem Jahre 1321. Dies ist gerade das Ende der Zeit, wo Pommern in Lehnsabhängigkeit von der Mark Brandenburg stand: Mit dem Tod des Markgrafen Waldemar des Großen (1319) und des letzten unmündigen Stammhalters (1320) war das brandenburgische Geschlecht der Askanier soeben erloschen. Da lehnseidliche Verpflichtungen immer ganz persönliche Bindungen waren, sahen die Pommernherzöge in der neuen Lage die Freiheit zu einem Krieg gegen Brandenburg, das zum Zankapfel in umfänglichen Erbstreitigkeiten wurde. Unter anderem nutzten die Polen den Anlaß, in die Neumark einzufallen. Die Lekows hielten sich zunächst an Pommern und ließen sich dafür bezahlen: o. g. Urkunde ist die Kriegskostenaufstellung der Pommerschen Herzöge, nach denen die Herren Rutze und Conrad de Lekow für ihre Kriegsdienste 23 Talente im Wert von 36 Silbermark erhielten.

Ab 1324 setzten sich die Wittelsbacher in der verkleinerten Mark zwar durch, aber den Landfrieden vermochten sie nur leidlich wiederherzustellen. Der schließlich durch König Karl IV. erzwungene Übergang an die Luxemburger Dynastie (1373) endete in der Neumark mit deren Verkauf an den Deutschen Orden im Jahre 1402. Bemerkenswert ist, daß das Land Schivelbein durch die Familie Wedel schon 1394 an den Deutschen Orden als Exklave und Tor zum Westen verkauft worden war; freilich nicht im Einverständnis mit den Lekowern, die sich als selbständige Herren verstanden.

Immerhin, als König Sigismund die gesamte Neumark verkauft hatte, versuchte man wohl zunächst, sich zu arrangieren: Im Tresslerbuch des Deutschen Ordens (Hauptbuch, das alle Ein- und Ausgaben verzeichnet, geführt in der Marienburg, erhalten nur für zehn Jahre) findet sich unter dem 29. April 1404: „Item 4½ M[ark] Jacob Lekow im Lande zu Schibilbeyn Hulfe gegeben am Dienstag vor Walpurgis. Item 5 M[ark] Ludtken von Clemencz [=Klemzow] im Landes Schibilbeyn.“ Die Lekows und ihre Nachbarn hatten mit dem Orden also einstweilen ihren Frieden geschlossen.

Während König Sigismund 1411 den Burggrafen Friedrich von Nürnberg aus dem Hause Hohenzollern erfolgreich einsetzte, daß er dem vom Fehde- und Beuterecht bestimmten Treiben der Quitzow, Gans v. Pulitz usw. in der Mark Brandenburg Einhalt gebiete, gelang solches dem nach der Schlacht von Tannenberg (1410) geschwächten Orden in der Neumark nicht:

Noch 1410 nahm der Stolper Herzog Bogisław VIII. das Land Schivelbein vom Polnischen König zu Lehen, mußte es allerdings ein Jahr später gemäß dem Thorner Friedensvertrag wieder an den Orden zurückgeben. In der Folge nun taten sich die Lekower mit Fehden und Beutezügen sowie mit Bündnissen mit dem Herzog von Pommern, dem Markgrafen und den Holländern hervor, wie das Ordensbrief-Archiv im Geheimen Staatsarchiv Berlin in einer Fülle von Dokumenten belegt. Doch auch in juristischer Weise brachten die Lekows Klagen gegen den Schivelbeiner Ordensvogt beim Komtur in Danzig vor, die wir heute noch nachlesen können.

Zum Begriff geworden ist die Lekowsche Fehde 1443 [vgl. van Niessen: Geschichte der Stadt Dramburg, 1896, S.95f], die sich letztlich erst mit dem Rückzug des Deutschen Ordens aufgrund des Rückkaufs der Neumark durch Kurfürst Friedrich II. im Jahre 1455 erledigte.

Lekow in der frühen Neuzeit (1500 – 1650)

Leider fiel das Familienarchiv um 1500 einem Brand in Lekow zum Opfer. Für die Zeit danach bis 1804 sind die wichtigsten Urkunden in einem genealogischen Verzeichnis des Schivelbeiner Landrates Johann Georg Friedrich v. Lekow genau aufgeführt. So waren zu Beginn des 16. Jh. die Vettern Peter und Jacob v. Lekow Vasallen des Kurfürsten Joachim I. Nestor, eben dessen, der mit dem Unwesen des Raub- und Fehderechts in der gesamten Mark endgültig aufräumte.

Eine festgeregelte Erbfolgeordnung im Sinne des Erstgeburtsrechts gab es in Lekow so wenig wie in deutschen Fürstenhäusern jener Zeit. Alle Söhne eines Markgrafen pflegten zu gesamter Hand belehnt zu sein und führten zuweilen nebeneinander den Markgrafentitel, wenn auch nur einer von ihnen, der älteste, die Würde gegenüber Kaiser und Reich repräsentierte. Die Einheit des Territoriums blieb dadurch gewahrt. Bei zu großer Uneinigkeit wurden freilich auch Gebietsabteilungen für einzelne Erben vorgenommen.

Auch in Lekow wurde der Lehnseid damals von allen männlichen Nachkommen einer Generation geleistet, und zwar dann, wenn der jeweilige Vater starb, und aufs neue, wenn der Lehnsherr, also der Kurfürst starb. Solche Belehnung zur gesamten Hand führte dazu, daß sich unter Umständen bis zu zehn Vasallen in das Gut teilen mußten.

War Kurfürst Joachim I. der letzte, der noch fest zu Papst und Kaiser stand, etwa auf dem Wormser Reichstag und auch bei Kaiser Karl V. für Acht und Bann gegen Luther eintrat, so blieben einige Lekows der alten Kirche sehr viel länger treu: Johann v. Lekow (1581-1642) war katholisch geweihter Priester, erhielt aber die „Mutung“, das ist die Anerkennung seiner Ansprüche auf das Lehnsverhältnis, vom streng lutherischen Kurfürsten Joachim Friedrich 1603, sodann vom zum Calvinismus konvertierten Kurfürsten Johann Sigismund 1615, und wurde schließlich als Vasall des calvinistischen Kurfürsten Georg Wilhelm 1629 vereidigt.

Damit spielte Lekow freilich eine politische Sonderrolle in der Mark, und so nimmt es nicht wunder, daß Johann v. Lekow als Vertrauensmann des Heiligen Stuhls während des Dreißigjährigen Krieges in der Mark agierte – mit keinem geringeren Anspruch als dem, den Kurfürsten in den Schoß der Mutter Kirche zurückzuführen. Auch Kardinal Melchior Khlesl, als Rektor der Wiener Universität und Minister des Kaisers Mathias stärkster Förderer der katholischen Restauration, setzte große Hoffnung in die politischen Fähigkeiten Johann v. Lekows [Schreiben Khlesls vom 16. Sept. 1628 an die Päpstliche Propaganda in Rom]. Lekow erhielt in dieser Zeit sogar die Unterstützung des polnischen Königs Wladisław IV. Sigismund, wie Antonio Santa Croce, der päpstliche Nuntius in Warschau, am 3. April 1637 nach Rom schrieb. Johann v. Lekows jahrzehntelange Bemühungen sind in den Dokumenten der Propaganda im Vatikan ausführlich belegt, z. T. abgedruckt in: Preussen und die Römische Kurie Bd. I: die vorfriederizianische Zeit (1625-1740), Berlin 1910. Die Märkische Missionstätigkeit v. Lekows wurde am 18.7.1639 dem Nuntius von Köln übertragen.

Johann v. Lekow war Herr auf ein Fünftel, später ein Viertel Lekow; noch zwei Brüder und zwei verfeindete Vettern hielten das Gut zur gesamten Hand. Die Vettern teilten sich Stücke ab und erhielten darüber separate Lehnsbriefe 1622. Johann lebte im Zölibat, und auch seine Brüder hinterließen keine Nachkommen, so daß ihr Erbteil wieder in die Gesamtmasse zurückfiel.

Lekow im absolutistischen preußischen Staate (1650 – 1815)

Mit dem Aufstieg des Großen Kurfürsten hielt auch der Wohlstand in Lekow Einzug: Eustachius v. Lekow (1640-1701) konnte es sich erlauben, das heute noch erhaltene Renaissanceschloß zu bauen, dessen Pracht erst vierzig Jahre später durch den Barockbau der Borckes auf Stargordt übertroffen wurde. Sicher rechnete Eustachius v. Lekow nicht damit, daß keiner seiner fünf Söhne einst einen Erben hinterlassen würde. Aus der Ehe seines Vetters Eustachius Adrian v. Lekow mit Elsa Catharina v. Kleist gingen vier Söhne hervor, aber von zu dieser Zeit neun zur gesamten Hand belehnten Brüdern und Vettern hinterließen nur zwei überhaupt Nachkommen.

Der letzte Markgraf, der sein Erbe zur gesamten Hand an seine Nachkommen gab, war Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. Sein Sohn Friedrich III. (der spätere König) focht das Testament 1688 aber an und ließ es dann für ungültig erklären, um das Alleinerbe zu erlangen. Einen Bruder stellte er noch damit ruhig, daß er ihn als Markgraf von Küstrin regieren ließ, aber mit dessen Tod war dann die Primogenitur in Brandenburg manifest.

In dieser Zeit wich das alte Lehnsverhältnis zwischen natürlichen Personen allmählich einer modernen Militär- und Verwaltungsstruktur. Die letztgenannten neun Vasallen v. Lekow des Kurfürsten Friedrich III. wurden nur noch in der „Neumärkischen Lehnskanzlei“ bestätigt, und im wesentlichen leisteten sie ihren Offiziersdienst in der preußischen Armee, wo sie in den Nordischen Kriegen großteils fielen. Die beiden Brüder, die auf Nachkommen blickten, einigten sich dahingehend, daß Eustachius Friedrich durch Georg Adrian mit Geld abgefunden wurde. Georg Adrian v. Lekow wurde dann 1713 noch einmal durch König Friedrich-Wilhelm I. persönlich als einziger Lekower Vasall bestätigt. Wie in der Mark, so galt auch in Lekow fortan die Primogenitur.

Künftig war es an den nichterbenden Söhnen, preußische Offiziersstellen auszufüllen. Christian Reinhardt v. Lekow (1705-77) kümmerte sich als erster alleiniger Erbherr um die landwirtschaftlichen Belange. Sein Bruder Johann Georg v. Lekow, einst Page am Hofe König Friedrich I., später Kommandant des Forts Preußen bei Stettin, geriet als Oberstleutnant bei der Eroberung von Glatz 1760 in österreichische Gefangenschaft. Auch sein Bruder Joachim Friedrich v. Lekow diente Friedrich dem Großen im Siebenjährigen Kriege; als Generalmajor in der Schlacht bei Zorndorf schwer verwundet (25.8.1758), nahm er doch an der Schlacht bei Meißen wieder teil und geriet dort in österreichische Gefangenschaft (21.11.1759). Ein weiterer Bruder, Friedrich Wilhelm v. Lekow, war ebenfalls Oberstleutnant und Ritter des Ordens Pour le Merite, nahm aber während des Krieges (1758) seinen Abschied, um die Herrschaft auf dem schlesischen Gute seiner Ehefrau anzutreten (Pfaffendorf bei Schmiedeberg).

Die Lekows hatten eheliche Bande in die großen Familien Pommerns und Brandenburgs, als da sind die Hohenzollern, die Lettows, die Manteufels, die Ostens, die Kleists, die Flemmings, die Goltz’, die Wedells u. a.

Lekow im Preußen des Deutschen Bundes und des Deutschen Reiches (1815 – 1945)

Der letzte Herr v. Lekow auf Lekow, bereits genannter Landrat Johann Georg Friedrich, starb ebenda am 7. Sept. 1823 ohne Nachkommen. Lekow war inzwischen durch die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß der preußischen Provinz Pommern zugeschlagen worden, wurde aber noch vom Provinzialständischen Verband Brandenburgs verwaltet. Erst mit Inkrafttreten der „Neuen Provinzialordnung“ Preußens am 1. Jan. 1876 gehörte Lekow wie der Kreis Schivelbein auch verwaltungstechnisch zu Pommern.

Der älteste der vier Söhne von des Landrats Neffen Carl Christian aus dessen Ehe mit der Gräfin Antoinette v. Mostowska, nämlich Julius Leopold v. Lekow, erbte das Gut. Allerdings war er durch seinen Stiefvater, den Freiherrn Michael v. Stosch, bereits mit einem Gute in Schlesien ausgestattet worden, so daß er sich 1828 zum Verkauf von Lekow mit allen dazugehörigen Gütern entschloß.

Auch die übrigen Brüder v. Lekow waren vom Freiherrn v. Stosch mit umfangreichen Gütern in Schlesien und in Ostpreußen ausgestattet worden.1)

Das Gut Lekow, durch geschickte Heiratspolitik auf rund 6000 ha angewachsen, wurde anläßlich der Veräußerung in kleinere Einheiten zerlegt. Beim Schloß blieben nur Kunow, Teschenbusch und Boltenhagen, die vom Erwerber bereits 1845 an Konrad Karl Gerhard Cleve weiterverkauft wurden.

Dessen Sohn Anton Cleve (1851-1911) folgte den Zeichen der Zeit mit Investitionen in den industriellen Sektor: Eine Ziegelei wurde errichtet, und bald ragte der hohe Schlot einer Dampfstärkefabrik 50 m vor dem Schloß in den Himmel (Beide Anlagen wurden 1976 abgerissen). Die heute noch vorhandenen Wirtschaftsgebäude, unter anderem ein kunstvoller Getreidespeicher, wurden ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert errichtet.

Nach dem Preußenschlag des Reichskanzlers Franz v. Papen sorgte dessen Regierung als Sparmaßnahme am 1. Okt. 1932 für die Auflösung des Kreises Schivelbein und dessen Aufgehen im neuen Kreis Belgard-Schivelbein.

1) Bartholomäus Stosch, kämpferisch-calvinistischer Hofprediger des Großen Kurfürsten, der 1666 für die Absetzung des lutherischen Lieddichters Paul Gerhard als Pfarrer an der Berliner Nikolaikirche sorgte, hatte den Grundstein zu einer einflußreichen Familie in Preußen-Brandenburg gelegt. Etwa sorgte nach dem Zwangsbeitritt Sachsens zum Norddeutschen Bund ein General v. Stosch für größere militärische Selbständigkeit Sachsens und damit für Abbau von innerdeutschen Spannungen vor der Reichsgründung; im Deutschen Kaiserreich wurde General v. Stosch später Marineminister.

Lekow seit 1945

Der Zweite Weltkrieg hatte Lekow nur kurz berührt: Die Korpsgruppe v. Tettau war in einer Stärke von noch über 10.000 Mann im Bereich Schivelbein-Bad Polzin von russischen Kräften eingeschlossen gewesen und folgte am Abend des 4.3.1945 dem Durchbruchsbefehl. Die dazugehörigen Divisionen „Pommernland“ und „Holstein“ sowie die 15. (lettische) SS-Division bewegten sich auf dem Weg zum Oderbrückenkopf Dievenow am 5.3.1945 bei starkem Schneetreiben durch Lekow, während die Russen weiter südlich die Straße nach Regenwalde besetzt hielten und den kürzesten Weg zur Oder versperrten. Seit dem 20.3.1945 war die Oder endgültig neue Frontlinie.

Am 3.3.1945 unternahm der Herr auf Lekow, Justus Cleve, einen späten Treckversuch, kehrte aber am 14.3.1945 zurück. Im verlassenen Schloß war derweil die Kommandantur der polnischen Nationalarmee (Armia Krajowa = AK) eingezogen, denn die Russen quartierten sich lieber in Gütern mit Alkoholbrennerei ein. Die meisten Räume dienten zunächst als Lazarett.

Justus Cleve wurde von der polnischen Militäradministration sofort als Gutsverwalter eingesetzt und in der Folge gegen sowjetische Intervention verteidigt.

Der Zeitzeuge Stefan Kuchta, *1926, seit 1943 Mitglied der zunächst im Untergrund tätigen AK, kam als Unteroffizier und Ordonanz des Hauptmanns Czaja zu Ostern 1945 nach Lekow. Er berichtet, daß die junge Frau Cecilie Cleve einmal von russischen Soldaten entführt worden sei und daß dank seines Einsatzes ihr Aufenthaltsort in Meseritz ermittelt werden konnte. Hauptmann Czaja habe dann ihre Herausgabe bei den Russen durchsetzten können. Als am 30.6.1945 der Ausweisungsbefehl kam, brachte Stefan Kuchta das Ehepaar Cleve in deren bester geschlossenen Kutsche nach Schivelbein zum Bahnhof.

Schloß und Gut Lekow unterstanden noch bis 1948 der polnischen Militäradministration, dann trat der erste zivile Gutsverwalter, Langer mit Namen, seinen Dienst an; Lekows Wälder wurden der staatlichen Forstwirtschaft eingegliedert.

Seit 1954 gelang dem neuen Verwalter Antoni Siwiński eine straffe Führung – nicht nur in der Landwirtschaft, der Dampfstärkefabrik und der Ziegelei, sondern auch im Park mit schönen Wegen und vielen Blumenrabatten. Dort, wo heute an der Boltenhagener Straße die Neubaublocks stehen, wurde damals Gemüse angebaut zum Verkauf auf dem Schivelbeiner Markt. Auch der deutsche Friedhof war in unberührtem Zustand.

1964 wurde Siwiński abgelöst von dem überzeugten Kommunisten Józef Kępka. Dieser ließ die historischen Gebäude und den Park bewußt vernachlässigen, die Dampfstärkefabrik wurde nicht mehr gewartet, verfiel und wurde schließlich abgerissen, die Trocknungshalle der Ziegelei brannte ab, woraufhin auch dieses Werk stillgelegt wurde und verfiel. An der Boltenhagener Straße wurden unter Kępka moderne Stallanlagen aus Fertigbetonteilen errichtet. Er ließ es zu, daß sich ein Dorfbewohner einen Kohlenschuppen aus deutschen Grabsteinen baute. Allerdings brachte der Schuppen keine Freude: die Kohlen verschwanden immer daraus, so daß die Steine schließlich verkauft wurden.

Solange Hinterpommern Deutsches Reichsgebiet unter polnischer Verwaltung war, riskierte man hier keine größeren Investitionen, und erst seit der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages vom 14. Nov. 1990 liegt Lekow völkerrechtlich verbindlich im Polnischen Staatsgebiet. Allerdings brachte die gleichzeitige Umstellung von Plan- auf Marktwirtschaft neue Probleme.

Der letzte staatliche Verwalter Zygmunt Lachoski mühte sich vergeblich, Gut Lekow den neuen Gegebenheiten anzupassen: 1992 wurde es privatisiert und von der norwegischen Gesellschaft Polrol, heute Polfarm, übernommen. Die neue Führung rationalisierte alsbald die Viehwirtschaft hinweg, entließ 95 % der Landarbeiter, und an den Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden hatte niemand mehr Interesse. Nun erst begann die zügige Demontage von Schloß und Umgebung durch die plötzlich arbeitslose lokale Bevölkerung, und bis 1995 waren sämtliche Gebäude zu Ruinen, der Park zur Mülldeponie verkommen.

In jenem Jahr wurde der Verfasser, der auf langjährige Erfahrung im Bereich Denkmalrestaurierung zurückblickt, von polnischer Seite auf die Erhaltenswürdigkeit des Schlosses Lekow hingewiesen, und die polnischen Behörden leisteten in der Folge in zuvorkommender Weise administrative, wenngleich keine finanzielle Unterstützung. Seitdem bemühen sich die Familie Sinapius, Königswinter, und die privat finanzierte deutsche Stiftung Philocultura um die Wiederherstellung und Unterhaltung von Schloß- und Parkanlage, die heute nur noch ein Denkmal deutschen Kulturschaffens im Grenzgebiet von Neumark und Pommern ist, ohne daß sie eine ökonomische Funktion erfüllte. Da, wo einst brandenburgische und preußische Politik gestaltet wurde, sei heute ein Hort der Erinnerung, der in seiner pränationalen Größe auch zu supranationaler Verständigung beitragen mag.